Selten hat ein Tatort soviel Aufruhr in einen sonst so ruhiges, nahezu totes Fernsehpublikum gebracht. Ja es gibt Communities und Fanseiten (z.B. www.tatort-fans.de) die sich treffen um gemeinsam Tatort zu schauen. Bei mancheinem Tatort (so behaupten böse Zungen) macht das Sinn, damit man nicht einschläft. Die ARD hatte dies zunächst auch richtig analysiert, es braucht mehr Auswahl. Nur die Schlussfolgerung ging zunächst voll nach hinten los. Mehr Auswahl heisst nicht mehr Locations (Stichwort Franken-Tatort). Es brauchte nicht mehr Ort wo sich Ermittler eine Mantaplatte oder “3 im Weckla” zwischen die Beiser hauen und dabei philosophisch die Beziehungen zwischen Köln und Düsseldorf analysieren. Es brauchte nicht mehr Tatort mit mehr Aktualitätsbezug in fragwürdigeren Zusammenhängen. Es brauchte mehr unterschiedlichen Charme, ein breiteres Spektrum an Typen und vielleicht auch etwas Moderne (der Hacker im Krankenbett).
Man liest meist das die Storyline flach und meist etwas zart am Rand und roh in der Mitte ist. Aber bis jetzt lebt der Tatort noch und manche Storyline hat bisher die Schwächen im Rest ausgeglichen. Was fehlt also dem Tatort? Es kann nicht nur an der Storyline liegen, denn so mancher Tatort hat eine gute und wirkt trotzdem langsam.
Es mangelt an Verschiedenheit und das maßgeblich weil Schimanski fehlt. Seit Schimanski gab es keinen “bösen” Cop mehr, der sich allen Vorgesetzten wiedersetzt und sein Ding macht. Jemanden der das Genre des Gerechtigkeitsfanatikers mit lockerer Zunge und entspannterem Schmerzpunkt befüllt. Endlich gibt es wieder Einen. Schweiger nimmt sich dabei selbst nicht zu ernst und wird durch einen überzeugenden und in der Rolle aufgehenden Fahri Ögün Yardim als Yalcin Gümer unterstützt. Die Actionszenen sind gut gemacht (auch wenn die Zielgenauigkeit der Bösewichter denen der Stormtrooper in Star Wars entspricht) und die Punchlines sitzen meist. Zusätzliche Komik entsteht zudem durch Dialoge in denen das amerikanische Crime-Action Genre aufs Korn genommen wird (“Sag nicht Zimmerservice, sag Brandschutz oder noch besser…”). Auch wenn man weiß das Luna Schweiger (spielt die Tochter Lenny Tschiller) die Tochter zur Untermalung der Menschlichkeit des Hauptakteurs dient, passt es einfach und rundet ein Bild über den Charakter des Hauptkommissars ab. Und solange sich ihr Charakter nicht in Richtung Kim Bauer (“24“‘s Elisha Cuthbert) entwickelt ist es auch in Ordnung.
Dies ist kein reiner Abklatsch des amerikanischen Crime-Genres, dafür ist es zu deutsch. Es ist eher eine Überzeichnung dessen was “Hollywood”-Crime ausmacht und das in eine Umgebung gesetzt die es verträgt: Hamburg.
Aber ohne Kritik kommt auch der Tatort nicht davon:
Bitte weniger Fehlschüsse, wie wäre es mit Benzinfässer neben den Akteuren die einfach explodieren (bei der Streuung gut möglich).
Bitte ein anderes Themas, das mindestens in den letzten 2 Monaten vorher nicht schon dran war (wird schwer, aber das sollten die Produzenten wissen)
Mein Fazit ist daher: Es ist kein Zwei-Ohr-Kokowäh und kein Eisbär. Schweiger macht seine Sache souverän. Er agiert wie in einer Mischung aus One Way und Schutzengel und am Ende ist ja auch etwas geläuterter: “Du wirst verhört!”
Der Tatort muss gerade weil es soviele unterschiedliche Ansichten von einem guten Krimi gibt weiterhin bestehen bleiben (mit Til Schweiger!). Nicht jeder mag jeden Tatort und es wäre schrecklich wenn das Öffentlich-Rechtliche nur noch Einheitsbrei erzeugt, denn dafür haben wir die Privaten und dazu zählt auch Cobra 11. Ich will einen etwas actionlastigeren Tatort, weil ich als Teil des Publikums das mag und es das auch geben sollte. Ich will einen Münster Tatort weil ich den Humor mag. Ich brauche keinen schweizer Tatort, aber warum nicht, mancher mag es vielleicht.
Es ist kein Tatort wie jeder andere und genau deswegen guter Tatort. Ich würde ihn nciht jede Woche sehen wollen, aber er ist eine echte Abwechslung und dadurch eine echte Bereicherung der Tatort- und Fernsehlandschaft. Jetzt muss nur noch das Intro mal etwas neuer werden (nicht die Musik), es wirkt einfach schlecht in HD.
Vielleich sollte das “T” in Tatort für Toleranz gegenüber Til oder anderen Geschmäckern gelten.